Sonntag, 16. Mai 2010

Ah, there is the love!

Yay, der Mai is endlich fast zu Ende! Darauf freu ich mich schon seit Wochen. Im Juni geht's naemlich endlich wieder los mit dem Reisen. Erst nach Malapasqua, einer der aufgrund von coolen Tauchplaetzen und schoenen Straenden beliebtesten Touristeninseln hier, und 2 Wochen spaeter nach Malaysia und Thailand.
Ende April/Anfang Main bin ich kaum aus Tacloban rausgekommen ..... glaub ich. So fuehlt's sich jedenfalls an. N echt komisches Gefuehl. Bis jetzt war ich spaetestens jedes zweite Wochenende weit, weit weg, und ploetzlich sitz ich gleich drei Wochenenden in meiner verdreckten Lagerhalle oder in der Naehe Taclobans rum und verbringe die Zeit mit Leslie, Couchsurfern, Buechern, Sport oder meinen kleinen Kakerlaken. Macht zwar auch nen Riesenspass, aber Rumreisen mit Leslie, Chouchsurfern, Buechern, Sport und meinen kleinen Kakerlaken waer mir als Wochenend-Beschaeftigung wesentlich lieber.
Und im Juni klappt's damit auch wieder.
Fuer Malaysia und Thailand sind die Fluege gebucht (4 Fluege fuer etwas ueber 230 Euro), die Koffer so gut wie gepackt (bzw. der Reiserucksack, den ich 5 Minuten mit Zeug fuellen muss, um ihn zu packen) und die Stimmung zum Auswandern koennte kaum besser sein. Der einzige Stoerfaktor, der sie etwas truebt, is Leslie. 3 Wochen ohne sie so kurz vor der Abreise sind irgendwie scheisse :D Dafuer kann ich vllt. n bisschen mit den Rothemden in Thailand protestieren und irgendwelche Geschaeftsgebaeude in Bangkok anzuenden. Waer n akzeptabler Ersatz.

Apropos akzeptabel: in der Woche direkt nach Wojteks Unfall sind Chris, Ich, Matthias, Theo, Vera, Vincent (sogar alphabethisch geordnet, damit sich ja keiner beschwert ;P) zusammen mit 2 Filipinas und nem Filipino nach Suluan gefahren. Suluan is ne Insel im Pazifik, circa 3 Stunden Bootsfahrt entfernt vom Festland Suedostsamars. 3 Stunden, die sich mehr als doppelt lohnen:
Sandstrand auf der einen, hohe Klippen und wunderschoener Blick auf gegen Fels peitschende Wellen auf der anderen Seite, dazwischen tiefster Wald auf oft felsigem, gefaehrlich scharfem und Slippers-feindlichem Untergrund. Es wimmelt nur so von Hoehlen, Kokospalmen, Urwald-Baeumen, Spinnen, Eidechsen, bunten Schmetterlingen, noch bunteren Voegeln, Ameisen und Filipinos. Und am (fast) hoechsten Punkt der Insel: n Leuchtturm, von dem man nen richtig geilen Ausblick auf all das und mehrere noch kleinere Inseln, die Suluan wie kleine Monde umgeben, hat.
Dazu ist die Insel (fast komplett) vom Handynetz abgeschnitten, Strom gibt's - wenn ueberhaupt - nur in den Abendstunden.
Die Fahrt alleine hat die Vorfreude bei den Masochisten Theo, Chris und natuerlich mir schon auf Hochtouren gebracht: Nach 3 Stunden auf nem Boot, das permanent von hohen Pazifikwellen hin und her geschleudert wird und so mit Menschen, Tieren, Stuehlen, Tischen, Essen und Gepaeck ueberfuellt ist, dass es jedem Betrachter den Eindruck eines afrikanischen Fluechtlingsboots einfach aufzwingen muss; nach 3 Stunden, in denen man das Wasser, den Wind und den Anblick auf fliegende Fische bzw. schwimmende Voegel geniessen kann, naehert man sich der Insel von oben bis unten durchnaesst, bleibt kurz davor stehen, springt in den Pazifik und erreicht die Insel schwimmend, schwach unterkuehlt und stark sonnenverbrannt.

Auf der Insel haben wir neben dem typischen Strand-Gechille und dem Fiest-Gefeiere eine etwas aussergewoehnliche Besichtigungstour gemacht. Nachdem wir ne Stunde am Leuchtturm verbracht haben und gerade zurueck zur kleinen Siedlung wollten, sind wir ueber ne Abzweigung gestolpert. Diese Abzweigung war der Beginn einer knapp 5-stuendigen Reise durch die Hoehen und Tiefen einer dichtbewachsenen Insel vulkanischen Ursprungs mit - wie schon gesagt - leicht Slippers-feindlichem Untergrund. Theos Flip-Flops haben die Reise nur mit knapper Not und jeweils einem Loch im Unterleib ueberlebt. Gute Besserung, Theos Slippers.
Auf der Tour sind wir auf das ganze Zeug gestossen, das ich oben beschrieben hab. Und dann haben wir uns verirrt. Theos "Wohin muessen wir eigentlich?" und die darauf folgenden 3 unterschiedlichen Antworten in einer aus 3 Mitgliedern bestehenden Gruppe haben uns kurzzeitig zum Nachdenken gebracht. Ein Urwald-Baum mit einem Stamm von ca. 10 Metern Hoehe und 2-3 Metern Durchmesser hat Chris auf die Idee gebracht, man koenne doch von oben nachschauen, wo wir seien. Palmen waren zu klein dafuer.
Ohne Scheiss, der Baum war riesig. Und Chris die kranke Sau is hochgeklettert. Auf dem Weg nach unten, nachdem er den Leuchtturm gesehen und damit unsere Marschrichtung bestimmt hat, hat aber sogar er darueber nachdenken muessen, wie er sich im Fall des Fallens von uns verabschieden wuerde. Ueber die genauen Worte wollte er im Nachhinein aber keine Auskunft geben. Alle Zeichen sprechen aber dafuer, dass er sich vor seinem Tod noch outen wollte.

Ja, das war die Insel. Zwar nicht ganz so geil wie die Insel aus "Die Insel", aber schon relativ nah dran.

Neben Zeug wie diesem vertreib ich mir die Zeit auf den Philippinen mit anderen, aehnlich coolen Sachen. Mit der Planung meines Geburtstags beispielsweise: Wir veranstalten ne Climbing Competition am 10ten und 11ten Juli in unserer Kletterhalle, mit hoffentlich 30 Teilnehmern. Danach wird gegessen und getrunken bis zum Abwinken.
Fuer den Wettkampf trainieren wir schon ganz fleissig. Letztes Wochenende waren wir wieder auf Klettertour in Tankaan, Padre Burgos. Diesmal war's wesentlich erfolgreicher und dementsprechend spannender als das letzte Mal. Das Training zahlt sich also aus ;)
Und dieses Wochenende geht's zum Felsen-Besteigen nach Tolosa.

Btw, an alle Frewilligen, die in ihren Buden auf Leyte/Samar hausen und nix zu tun haben: Ihr seid herzlich willkommen, am Wettbewerb teilzunehmen. In der Novice-Class koennt ihr fuer ne Registration-Fee von 100 Pesos coole Sachen gewinnen (unter anderem stabile Slippers und ne Auszeichnung :>), und am 11ten gibt's wie gesagt n Saufgelage. Fuer euch kosten Bier und Essen nix, wenn ihr mitklettert.
Besonders von den starken Jungs um Jesse, Chris, Theo, Benny etc. erwarte ich, dass ihr da mitmacht :)

Neben dem Klettern hab ich noch nen anderen coolen Sport fuer mich entdeckt: Kitesurfen. Ich hab mir nen 3 quadratmeter Trainings-Kite von nem Kumpel ausgeliehen und schon n paar mal (auf Land) trainiert. Alleine das Kiten ohne Surfboard macht richtig Bock. Darum laesst mich der Drang nich los, das ganze auf Wasser auszuprobieren. Und dazu werd' ich Jesse - das is n kitesurfender Freiwilliger hier - hoffentlich als Lehrer missbrauchen koennen, wenn ich wieder in Deutschland bin und ihn an der Nordsee besuche.

Und - ha, was fuer ein Uebergang fuer nen Themenwechsel - ne ganz andere Art von Surfen fasziniert mich auch. Couchsurfing. Irgendwelche Menschen hatten mal die Idee, ne Community aufzubauen, in der Reisende bei Einheimischen fuer umsonst pennen koennen, in der jeder sich Reisende mit den Einheimischen treffen kann und die Gegend von ihnen gezeigt bekommt, und so weiter. Der ganze Spass wurde dann auf www.couchsurfing.com verwirklicht. Supergeile Seite, die ich jedem empfehlen kann. Obwohl ich nur einmal Gastgeber und noch nie Reisender war (was sich in Malaysia aendern wird). Die Idee an sich is schon ziemlich genial - haette eigentlich von mir kommen muessen.

Das Gastgeben war ne ziemlich witzige Erfahrung: der Filipino, der uns auf Suluan gefolgt ist, hat mich irgendwannmal besuchen wollen. Aus dem Besuch wurde dann, weil die Freundin, bei der er gerade pennt - weil er nicht Zuhause schlafen will - ihn rausgeschmissen hat, ne Uebernachtung. Ich hatte am naechsten Morgen irgendwie den Eindruck, dass er aus der einen Uebernachtung 2 machen wollte. Und so war's dann auch. Nur, dass er am 2ten Abend ein schweizerisch-japanisches Paerchen (26 jahre alter Kerl namens Gabriel und 22 Jahre altes Maedel namens Kyoko) mitgebracht hat und dass er zusammen mit ihnen 2 Naechte bei mir verbracht hat, also sogar 3 Uebernachtungen und nicht zwei aus der einen wurden. Zusammen hatten wir jedenfalls ne lustige Zeit voller Spaghetti made by Leslie, Pancakes, Chili con Carne, Cocktails, Fratzen, vielen Fotos und noch mehr Gelaechter. Am letzten Abend kam noch n brasilianischer Couchsurfer mit chinesischen Wurzeln in unsere Lagerhalle und hat auch bei mir gepennt.
War alles in allem n sehr lustiges Wochenende.

Am Tag danach ist mir dann ne tote Katze und n toter Hund ueber den Weg gelaufen. Ich schaetze, dass die beiden kurze Zeit spaeter in filipinischen Maegen begraben wurden. War naemlich Fiest-Zeit.
Bei den Nachbarn hat irgendwie auch irgendetwas nicht mit den Hunden gestimmt. Die ganze Nacht lang hat man Gebelle und Hundegewinsel gehoert.
Und bei dem typischen Umgang mit Tieren hier liegt der Verdacht nicht fern, dass meine Nachbarn irgendetwas damit zu tun hatten.

Das mit dem Umgang mit Tieren is hier echt ne krasse Sache. Als waere das Hineinversetzen in Tiere so schwer. Ich mein, ihre Mitmenschen wuerden Filipinos nicht 2 Mal vom Tricycle fallen und langsam verbluten lassen wie das total in Panik verfallene Schwein, das sie hier zur Fiesta geschlachtet haben. Nem Menschen wuerden sie genauso wenig den Unterkiefer brechen, damit er sie nicht beisst, wenn sie ihn schon wie die Schlangen hier zur Schau stellen wollten.
Erinnert irgendwie an die guten, alten Zeiten der Sklaverei.
Die haben sich aber veraendert. Hauptsaechlich wohl, weil sich Sklaven wehren. Sonst gibt's ja nich allzuviele Unterschiede zwischen Tier und Mensch. Tiere haben zwar Probleme mit der sprachlichen Artikulation ihrer Probleme; diese braucht n Mensch aber eigentlich nicht, um zu erkennen, was dem Tier nich gefaellt.
Es is ja nicht viel schwerer sich - wenn's um Schmerzen geht - in ein Tier hineinzuversetzen, als in nen Menschen. Von uns selbst wissen wir eigentlich alle (ja Deniz, auch der Ungebildetste von uns ;P) dass Schmerzen nicht gerade das willkommenste Gefuehl sind. Unsere Reaktion darauf zeigt's ja. Tiere reagieren uns ziemlich aehnlich. Die relativ simple Schlussfolgerung schlussfolgert eigentlich jeder Mensch automatisch: Tiere moegen keinen Schmerz.

Da muss in heutigen Tierquaelern wie in den alten Sklaventreibern also n ganzer Haufen Empathie, Hineinversetzungs-Vermoegen oder Vernunftbegabtheit fehlen/gefehlt haben.
Und eigentlich koennte man doch n paar weltwaerts-Freiwillige dazu zwingen, sich um die Tierliebe der Filipinos zu kuemmern... dann haetten die Leute hier wenigstens wieder was zu tun :)

Und verbunden mit dem Thema Religion kann man schon sagen, dass Kirche und Bibel in diesem Bereich (auf den Philippinen) voellig versagen. Trotz der Ansicht "Leben nicht Eigenschaft, die Lebewesen durch naturwissenschaftliche Funktionalitaet ala Darwin entwickelt haben, sondern als etwas Erhaltenswertes, durch Gott Gewolltes, dass Menschen automatisch die Verantwortung zum guten Umgang damit aufbuerdet" gehoert Tierquaelerei in der zu 95% aus Katholiken bestehenden, philippinischen Gesellschaft meinem Eindruck nach oft einfach zum Alltag. Schade :/

Und apropos Glaube, da gibt's auch noch etwas Erzaehlenswertes:
Irgendwie hat sich die Wojtek-Hysterie bis heute nicht ganz gelegt. Ich muss den Leuten bis heute noch taeglich erzaehlen, wie's Wojtek denn so geht. Immerhin nich ganz so stressig wie am Anfang, als ich jedem noch erzaehlen musste, wie das mit dem Unfall denn genau war. Und mir anhoeren musste, wie Leid den Leuten das Ganze tut und wie gut ich die Situation doch ueberstanden haette. Oder - und Aussagen dieser Art haeufen sich in letzter Zeit - sie erzaehlen mir etwas von 'Spirits' und irgendwelchen Geistern, die vor dem Unfall gewarnt haetten und uns mit dem ganzen Ereignis nur zeigen wollten, dass sie uns nicht dahaben wollten.
Schon 20 Minuten nach dem Fall Wojteks kam die erste Aussage Richtung 'Die hiesigen Geister wollen euch vertreiben!' von 80-jaehrigen Hinterland-Filipinos mit der Bildung von Bibern. War nicht gerade die beste Situation, in der man Mitmenschen Angst vor Geistern machen kann, aber gut. Dass der Geister-Glaube hier ne richtig krasse Stellung im Denken der meistens Filipinos hat, faellt mit der Zeit immer deutlicher auf. Beispielsweise in Tangkaan:
Nachts, kurz vorm Einschlafen, auf dem Crashpad liegend, wurd' ich von nem guten Kumpel gefragt, ob ich denn an Geister glauben wuerde (dabei weiss er, dass ich Atheist bin).Ich hab verneint und erklaert, dass das Ganze fuer mich als Kopfsache gilt und ich Geister fuer etwas halte, dass individuell fuer Menschen wirklich existieren kann, sofern sie daran glauben.
Dann hat er versucht, mich davon zu ueberzeugen, dass es Geister wirklich gibt.
War ne echt komische Situation. Verbessert hab ich sie auch nich gerade, als ich gesagt hab, das die Angst vor Geistern in unserem Teil Europas eher den Freaks vorbehalten is.
Am naechsten Tag haben's alle gluecklicherweise mit Humor genommen.

So, viel Spass mit dem Wochenende! Hab gehoert, dass sich der Sommer bei euch langsam aber sich durchkaempft. Dann koennt ihr also endlich auch Waerme geniessen :) Viktor, da kannste Jessy eigentlich wieder Gassi fuehren^^

Montag, 10. Mai 2010

Sport ist Mord

Da bin ich mal wieder, um euch zum x-ten Male nach weit mehr als einem Monat mit den neusten, laengst ueberfaelligen Dritte-Welt-Infos zu versorgen. Sorry, dass es bei mir immer etwas laenger dauert. Hab mich zu sehr an die Filipino-Time gewoehnt.

Dann fang ich doch gleich mit dem wichtigsten und traumatischsten Teil der Berichterstattung an:
Am 1. Mai - wenigstens kann man sich das Datum leicht merken - sind 3 Bergmenschen und ich (Bukid heisst Berg auf Waray-Waray und ist der Name der Kletternhalle, in der ich meine Zeit mit Rumspringen an Kletterwaenden verbringe) nach Marabut gefahren, um nach 2 Wochen wieder im Freien zu bouldern. Wojtek war an diesem Tag nicht allzuweit entfernt im Leyte-Park-Resort schnorcheln und am Strand ausspannen. Wie verabredet haben wir ihn irgendwannmal abgeholt und zur Felsenkette geschleppt, wegen der wir den Trip gemacht haben. Ausserdem waren noch andere bekannte Gesichter im Resort zugange, die uns zugucken/mitklettern wollten und uns deshalb gefolgt sind. Damit sind aus vier Bergmenschen 8 geworden, als wir am Fels ankamen.

Und dann, kurze Zeit spaeter, hat Wojtek den bisher wohl groessten Einschnitt in sein Leben erlebt:
Nach ein paar Minuten, als er sich ein weiteres Mal an den Felsen getraut hat, ist ein ziemlich grosser Teil davon - schaetzungsweise 150 Kilo Stein - in ungefaehr 2 Metern Hoehe abgebrochen, und, nachdem Wojtek aufgrund von ploetzlich fehlendem Halt auf dem Boden gelandet ist, auf seinem Bein gelandet. Am gleichen Teil des Felsen haben wir uns beide vorher schon mehrmals festgehalten, weshalb relativ ueberraschend war, dass der ganze Brocken abgefallen ist, nachdem sich Wojtek nochmal drangehangen hat.
An die Verletzung kann ich mich auch bildlich noch ziemlich genau erinnern:
Jeweils ein tiefer Einschnitt bis zum Knochen in Ober- und Unterschenkel, viele durchtrennte Muskeln, Sehnen und Blutgefaesse, ein zerquetschter Fuss und mindestens ein Knochenbruch unterhalb des Knies.
Nach den ersten Sekunden des Schocks und in der Gewissheit, dass der Felsen ebenso haette mich zerquetschen koennen, weil ich 20 Sekunden vorher die gleiche Route abgeklettert bin, hab ich langsam begonnen, die Situation zu erfassen:
Starke Verletzung, starke Blutung, mindestens 5 Minuten zu den naechsten Menschen entfernt und vllt. 25 Minuten zum Resort, also zu den naechsten Menschen, die helfen koennten. Nicht gerade vorteilahft.
Wojteks erste Reaktion auf die Verletzung ging, wenn ich mich richtig erinnere, in Richtung "Scheisse. Das Bein is ab, kannste vergessen. Scheisse! Wieso jetzt?". Dabei hat er noch ziemlich gelassen gewirkt. Obwohl man schon gemerkt hat, dass die Wunde wehgetan haben muss.
Auch die naechsten 2 Minuten, in denen er noch bei Bewusstsein sein war, hat der Kerl nen kuehlen Kopf bewahrt. Ihm ist beispielsweise schneller als mir klar geworden, dass man die Arterie im Oberschenkel abdruecken muesste, damit er nicht allzuviel Blut verliert.
Nachdem ich einige der in Panik verfallenen Filipinos schreiend dazu aufgefordert habe, Hilfe zu holen - was gluecklicherweise geklappt hat - haben n Filipino und ich Wojteks Oberschenkel mit dem Gedanken "besser mehr als weniger" dreifach abgeschnuert und gehofft, dass es reicht. Danach konnte ich nurnoch auf Hilfe warten und Wojtek mit gutem Zureden oder leichten Backpfeifen wach halten.
Durch puren Zufall sind die Hilfesuchenden irgendwelchen Pfadfindern begegnet, die unter anderem den Abtransport von Verletzten und anderes Erste-Hilfe-Zeug fuer solche Situationen trainiert haben. Was fuer ein Scheissglueck im Unglueck das doch war. Keiner von den Kletterern (inklusive mir) hatte die geringste Ahnung davon, wie wir ihn zu nem Auto haetten bringen koennen. Im Gegenteil dazu haben die Pfadfinder nicht nur mit der Situation umzugehen gewusst, sondern auch noch ziemlich schnell gehandelt:
Nachdem sie sein Bein fixiert und ne Trage aus T-Shirts und 2 langen, dicken Holzstoecken gebaut haben, haben wir ihn zu sechst 10 Minuten durch Gebuesch zu nem Auto mit grossem Kofferraum und mit diesem in ein Krankenhaus in Tacloban gebracht.

Wojtek hat alles in allem ungefaehr 2,5 Stunden mit offener Wunde, ohne aerztliche Hilfe, mit relativ schlecht fixiertem Bein und dementsprechend mit ziemlich starken Schmerzen verbringen muessen. Die hochqualitativen Strassen Eastern Samars und die Fahrweise des Fahrers haben auch eher zur Haeufung von Fluechen als zur Linderung seiner Schmerzen beigetragen.
Fast die ganze Zeit, also ungefaehr 2,5 Stunden, durfte ich neben ihm sitzen oder stehen und versuchen, ihn wachzuhalten oder ihm sonstwie behilflich zu sein.

Mit der Ankunft im Bethany-Hospital war der Tag aber noch lange nicht vorbei. Im Krankenhaus - das Beste in Tacloban, der Hauptstadt einer Region, in der 4 Millionen Menschen leben - gab's naemlich kein Blut. Im Roten Kreuz schon, aber leider nicht seine Blutgruppe. Dementsprechend war Wojtek noch nicht 100%ig ueberm Berg. Nach mehreren Stunden Blutsuche durch die vereinten Kraefte von ungefaehr 20 Freunden Wojteks (wahrscheinlich wusste halb Region 8 von Wojteks Blutdurst) haben wir einen ganzen Menschen gefunden, der als Spender in Frage kam - einen der Palo-Freiwilligen. Einen halben Liter von den benoetigten 2 haben wir also organisieren koennen. Warum sie mein Blut nicht wollten, obwohl ich Universal-Spender bin, weiss ich auch nicht. In Wikipedia steht irgendetwas von der Minor-Reaktion, die auftreten kann. Vllt. lag's ja daran.

Noch dringender als die Blutsuche war aber die Frage, ob sein Bein dranbleiben sollte. Nachdem der Arzt n bisschen an seinem Bein rumgebastelt und n paar Knochen herausgenommen hat, hat er nach einer Entscheidung von Wojtek, seiner Freundin oder irgendwem sonst verlangt, der die Verantwortung uebernehmen wollte: versuchen zu retten - oder abschneiden? Zum Glueck war Wojtek bei Bewusstsein und konnte uns sagen, dass wir ihm sagen sollten, dass jede Entscheidung, die in Richtung Amputation ginge, erst in Manila getroffen werden sollte. Da wollte er naemlich so schnell wie moeglich hin, weil's dort wesentlich bessere Behandlungsmoeglichkeiten gibt. Die Suche nach nem Flug in die philippinische Hauptstadt sollte sich aber wie die Suche nach dem Blut als relativ schwierig herausstellen - einerseits war's Wochenende, andererseits kann der Papierkram bei Antraegen auf Verletztenfluege sehr viel Zeit in Anspruch nehmen. Von 3 Tagen war die Rede. Leider hatte Wojtek keine 3 Tage.

Am naechsten Tag konnte Wojtek dank der Hilfe Claudias und anderer Menschen und trotz seines Zustandes nach Manila geflogen, dort mit Blut versorgt und richtig behandelt werden.
Einen weiteren Tag spaeter hab ich dann erfahren, dass sie das Bein trotz aller Bemuehungen amputieren muessten. Termin fuer die OP: 15:00 Uhr.

Ja. Das war glaub ich der aufregenste Tag meines bisherigen Auslandsaufenthaltes und eine der praegendsten Erfahrungen meines Lebens. Besonders so nem Halb-Pazifisten und zukuenftigen Medizinstudenten wie mir, dem so etwas zum ersten Mal passiert ist, hat die Situation viel zu denken gegeben.
Unter anderem weiss ich jetzt, dass ich in Situationen wie dieser nicht ausflippe, in Panik verfalle oder wegrenne. Geistig zerstoert hat mich seine Verletzung, sein Rumgeschreie und das Zugucken bei der Behandlung seines Beins auch nicht. Von den Beteiligten bin ich wohl der, der die ganze Situation am besten ueberstanden hat.
Wenn ich also nicht der ideale Arzt sein werde, wird's wohl keiner ;P

Wojtek geht's uebrigens gut. Er muss noch n paar Wochen in Manila bleiben, bevor er zur Reha nach Deutschland fliegen kann. Dort geh ich ihn auf jeden Fall besuchen.
Wie er's psychologisch ueberstehen wird, wissen wohl nur er und irgendwelche professionellen Psychologen. Depressiv hat er sich am Telefon jedenfalls nicht angehoert.

So. Und jetzt wieder weg von Wojtek, seinem Bein und der schlechten Stimmung.
Weiter geht's mit der Berichterstattung. Bleiben wir mal beim Klettern.
Meine Kletterschuhe sind naemlich endlich da! So ewig hab ich mich auf die Dinger gefreut, so schoen sind sie geworden, und doch quaelen sie mich zu Tode, weil ich noch keine verkrueppelten, haesslichen Klettererfuesse hab. Aber keine Sorge, das kommt noch.
Die Schuhe sind jedenfalls das Engste, in das ich in meinem Leben... nein, warte. Die Schuhe sind einfach nur sehr, sehr eng.
Dominique, n guter, filipinischer Kumpel, ist wegen ner Hochzeit eines anderen Kletterkumpanen nach Manila gereist und hat dort die Schuhe fuer mich aufgetrieben. Vom momentanen philippinischen Climbing-Champion. Ganze 4250 Pesos haben die mich gekostet - das sind rund 70 Euro und damit fast die Haelfte meines Monatslohns.
Kurz vorher war Vincent in Manila und hat ebenfalls versucht, Schuhe fuer mich aufzutreiben. Ungluecklicherweise wusste er nicht, wie Kletterschuhe aussehen. Und n Bild von nem Kletterschuh hat ihm irgendwie auch nicht dabei helfen koennen, sich ne bessere Vorstellung von solchen Dingern machen zu koennen. Naja. Danke trotzdem fuer den Versuch :D

Das Klettern waechst hier zu meinem neuen Hauptsport aus. 3 - 5 Mal die Woche mach ich das an der Kletterwand im Bukid-Outdoorshop ("Berg" auf Waray Waray), gelegentlich kommen dazu Fels-Erkundungstouren am Wochenende. 4 Mal waren wir bis jetzt Outdoor klettern, und jedesmal war's einfach nur uebergeil (obwohl das vierte Mal nicht allzu schoen geendet ist - das muss ich zugeben). Felsen examinieren, Routen finden, abklettern, naechsten Felsen rannehmen. Wenn die Routen dann noch in hoehere Gefilde ragen, werden Massen an Adrenalin ausgestossen, die biologisch kaum produzierbar sein muessten. Aufregung pur.
Immer den Gedanken "Hoch oder sehr, sehr weit runter" im Hinterkopf geht's hoeher und hoeher, bis man irgendwannmal wieder runter muss, was meistens noch viel lustiger als der Aufstieg is. Zwei meiner Kletterkumpanen haben schon mehr als 20 Minuten auf Felssimsen verbracht, weil sie keinen Weg runter gefunden haben.
Um sich zu verstaendigen, werden die Routen mit irgendwelchen Namen versehen, an die sich jeder erinnern kann. Zu den coolsten Routen gehoeren beispielsweise "Hurts like Hell", "Where Winnie the Poo died", "Hourts even more than Hell", "Fuck ze Bitch", "Route of Death Version XIII.4.2" oder "Why just now?!".

Anfang April wurd' ich Dritter in 'nem Kletterwettkampf und hab so ganze 200 Pesos (3 Euro!) + Aufkleber + noch irgendwas gewonnen :D

Kurz danach, auch irgendwann im April, hab ich nen "deutschen" Abend bei mir in der Lagerhalle geschmissen und 5 Freunde aus'm Bukid eingeladen. Sie durften das erste Mal in ihrem Leben Chili con Carne und Bratkartoffeln essen. Very delicious it was, yes!
N bisschen was Russisches hab ich auch eingebracht: jeder musste vor dem koestlichen Mahl nen Schuss Wodka trinken, der ungefaehr 5 ihrer normalen Shots gleicht. Dementsprechend lustig war's auch ne kurze Zeit spaeter.

Die haben an dem Abend richtig viel Zeugs ueber's filipinische Leben erzaehlt, das ich zum allerersten Mal gehoert habe. Nach fast 8 Monaten :/
Ausserdem haben sie mir ihre von ihren witzigen Vorstellungen ueber Europa erzaehlt. Ich musste mich mehrmals fragen, ob sie mich gerade verarschen. Dem war aber nicht so. Das Zerschlagen ihrer Sicht und das Weiterverbreiten meiner Sicht Europas hat aber auch Spass gemacht.

Das war auch der Abend, an dem ich mit meiner neuen, kleinen Freundin zusammengekommen bin :) Sie gehoert zwar nich' zum Bukid-Trupp, war aber trotzdem da. Leslie ist ihr Name, und eigentlich kenn ich sie seit den ersten Wochen in Tacloban. Nachdem ich durch Zufall wieder Kontakt mit ihr aufgenommen hab, sind mir ihre hervorragenden Qualitaeten zum ersten Mal richtig aufgefallen. Is n hoechst symphatisches, suesses, kleines, 23-jaehriges Maedel, dass mich fasziniert. Sie is aber nich nur aelter als mein grosser Bruder Andi, sondern auch wesentlich klueger und schoener. Obwohl sie's mit seinem Humor nich aufnehmen kann :D
By the way, Andi: Ich glaub, ich wuerd was mit dir anfangen, wenn du nich mein Bruder, sondern n heisses suedamerikanisches Maedel waerst.
Wie auch immer: Wenn das mal kein gelungener Abend war.

Irgendwann im April (war's der 11.?) hatte Wojtek Geburtstag. Mit viel Tanduay und noch mehr Futter sind wir nach Inopacan gefahren und von dort aus nach Digyo Island geschwommen (mit dem Boot, keine Sorge). Dort haben wir seinen Geburtstag 2 Tage lang gefeiert. Fuer den Spass haben ausser dem Alkohol noch Nacht-Schnorcheln, Kiten (mit 3 qm Trainings-Kite durch die Luft geschleudert werden, woohoo) und Poys gesorgt. War n ziemlich cooler Geburtstag. Und hammergeil, was einem nachts im Wasser so ueber den Weg laeuft. Aale, die aussehen wie Seeschlangen (farbtechnisch, mein ich), massig Schnecken, Muraenen, irgendwelche Glibber-Wuermer, viele Krebse und Langusten, und und und. Mir sind da ganz viele Bilder aus "Arielle die Meerjungfrau" durch den Kopf geschossen. Fast schon realistisch, wie die Unterwasserwelt dort dargestellt wird :D
Mama: dein naechstes Kind zwingst du bitte, tauchen zu gehen anstatt es Arielle gucken zu lassen. Is' wesentlich spannender und viel ungefaehrlicher.

So. Mein Schreibtrieb hat sich gelegt. Wenn mich demnaechst wieder n Anfall anfaellt, schreib ich bisschen was ueber die Gedanken, die mir in letzter Zeit durch den Kopf schiessen; darueber, was ich in letzter Zeit auf den Philippinen getrieben hab und was ich so plane. Wenn nicht, dann eben nicht. Ciaociao!